Es ist eine Anpassung des geltenden Rechts an veränderte gesellschaftliche Gegebenheiten erforderlich, um die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten der Eltern (Art 6 Abs 2 und 3 GG) zu stärken sowie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art 3 Abs 2 GG) voran zu bringen und die Resolution 2079 (2015) des Europarates umzusetzen.
Dies bedeutet, dass zukünftig bei getrennt lebenden Eltern beide Elternteile zur paritätischen Betreuung der Kinder verpflichtet sind. Bei Trennung der Eltern wird das Doppelresidenzmodell angenommen. Ausnahmen davon gibt es nur in den Fällen, in denen von einer Kindesgefährdung durch einen Elternteil angenommen werden muss.
Diese Veränderung ist überfällig und wird durch vielfältige Argumente gestützt.
Unterscheidung zwischen intakten und gescheiterten Ehen
Inzwischen nutzt etwa ein Drittel der Männer die Möglichkeit der Elternzeit. Etwa die Hälfte der Männer die ein Kind unter drei Jahren haben, wünscht sich eine paritätische Betreuung durch beide Elternteile. Auf der anderen Seite leben in Deutschland 1,6 Mio. alleinerziehende Mütter und Väter, von denen „die Mehrheit in der Regel auf die Unterstützung eines Partners verzichten muss“ (Monitoring Familienforschung Ausg. 28 des BMFSF). 2014 lebten 20% der Kinder in Familien von Alleinerziehenden (Pressemitteilung Stat. Bundesamt 23.02.2016).
Diese wird auch in intakten Ehen häufig gelebt. Allerdings wird in Deutschland mehr als die Hälfte aller Ehen geschieden. Danach erfolgt die Unterscheidung in einen (haupt-)betreuenden und einen umgangsberechtigten Elternteil. Dabei reduziert sich der Umgang eines Elternteils häufig auf ein Maß, bei dem Telhabe am Leben und Nutzung der Ressourcen beider Elternteile nicht mehr gewährleistet werden kann. Den Kindern getrennt lebender Eltern zu ermöglichen, ebenso wie Kinder in intakten Ehen von den Stärken und Schwächen beider Elternteile zu lernen, beide Alltagswelten kennenzulernen und diesen Erfahrungsschatz für das eigene Leben und die eigene Sozialisation zu nutzen, ist Ziel dieser Neufassung.
Auf der anderen Seite leben in Deutschland 1,6 Mio. alleinerziehende Mütter und Väter, von denen „die Mehrheit in der Regel auf die Unterstützung eines Partners verzichten muss“ (siehe Monitoring Familienforschung Ausgabe 28 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Für diese stellt Vereinbartkeit von Familie und Beruf eine besondere Herausforderung dar. Diese Menschen können von der Neufassung profitieren, indem die Belastung, die durch die Betreuungsleistung entsteht, gerechter auf beide Elternteile verteilt werden.
Gleichberechtigung
Derzeit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch ein Problem, das überwiegend Frauen betrifft, da sie immer noch die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen. Dies hat vielfältige Ursachen. Durch die Neufassung wird dies von einem geschlechtsspezifischen zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem und dient damit der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Zudem stärkt die Neufassung die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten der Eltern: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (Art. 6 Abs. 2 GG). Kinder haben damit nicht nur ein Recht auf Umgang mit beiden Eltern, sondern ein Recht auf Pflege und Erziehung – also Betreuung durch beide Elternteile.
Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (Art. 6 Abs. 3 GG). Die in der Praxis häufig anzutreffende Regelung, dass der Umgang eines Elternteils gegen dessen Willen auf jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien reduziert wird (Mindestumgang) stellt somit eigentlich einen Verstoß gegen diesen Verfassungsgrundsatz dar. Dieser Mangel wird durch die Neufassung beseitigt.
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Art. 3 Abs. 2 GG). Aktuell werden 90% der Fälle so entschieden, dass die Mutter des Kindes zum hauptbetreuenden Elternteil bestimmt wird. Dies ist auch auf Grund der sich verändernden Arbeitswelt – durch die Digitalisierung flexiblere Arbeitsmodelle (Home Office) und den Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft – objektiv nicht zwingend notwendig. Die Neufassung stärkt die Möglichkeit beider Eltern einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und verpflichtet beide, sich in die Erziehung und Pflege der Kinder einzubringen. Damit wird eine Aufweichung der heute noch gegebenen geschlechtsspezifischen Rollenverteilung erreicht und ein weiterer Schritt zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern gemacht.
Regulatorische Notwendigkeit
Schließlich hat der Europarat in seiner Resolution 2079 vom 02.10.2015 das Wechselmodell also die Doppelresidenz einstimmig als Regelfall beschlossen. Dem soll durch den neu aufgenommenen Absatz 4 Rechnung getragen werden. Das Wechselmodell wird in einer Vielzahl internationaler Studien als das für die Kinder optimale Betreuungsmodell bestätigt. In Schweden lebt bereits heute ein drittel der Kinder in einem Doppelresidenzmodell, in der Schweiz besteht die Möglichkeit der „alternierenden Obhut“ seit 2014.